Seine Meinung ändern?

Die Geschichte mit dem Hund bleibt ein guter Aufhänger, auch wenn es darum geht, sich von Fakten überzeugen zu lassen, und seine Einstellung anzupassen.

Unser Hund hatte in seiner „Pubertät“ gerne viel Streit mit anderen Rüden. Das fing langsam an, und wurde zusehends anstrengender. Er lief eh immer gerne c. 5-10 Meter voraus, um die Lage zu sondieren – wir ließen ihn gerne ohne Leine laufen, das Anhalten an der Bordsteinkante bzw. auf Kommando hatte er schnell gelernt. Der Anblick eines anderen Hundes jedoch brachte ihn sofort dazu, schnurstracks direkt zu diesem hin zu rennen (und wenn es komplett an die andere Seite des Parks gehen musste), und erst mal zu prüfen, ob es sich um Männlein oder Weiblein handelt. War es ein Rüde, und zeigte er sich nicht unterwürfig, gab es erst mal mit lautstarkem Getöse ein Kräftemessen. War es ein Weibchen, hing er ihr penetrant an mit der Nase an den Genitalien, und war recht aufdringlich. Abrufen oder stoppen war hier nicht möglich, man musste ihn direkt festhalten und wegzerren.

Da haben wir natürlich wieder unsere Bücher und diverse Internetseiten bemüht – und siehe da: es ging schnell um das Thema Kastration. Meine Frau war sofort dafür, ebenso unsere Gassi-Freundin, die nebenbei auch generell von Männern frustriert war. Mir hingegen tat der Hund bei dem Gedanken Leid, ihm seine Hoden zu entfernen, und ihn in einen „neutralen“ Hund zu verwandeln.

Dabei betrachtete ich das Ganze immer aus der männlichen Perspektive und dachte: na klar, die Mädels zögern da nicht lange, die würden ja am liebsten die Männer im Ganzen auf diese Weise „an die Leine legen“. Und das das doch total mies wäre.

Auf der anderen Seite wollte ich nach wie vor das Richtige und damit das Beste für unseren Hund tun. Die Faktenlage zu diesem Thema ist die folgende: die Hormone sorgen dafür, dass der Hund permanent „auf Zack“ ist was andere Hunde angeht, und sozusagen unter dem normalen „Programm“ der Natur steht, sich fortzupflanzen. Da er das jedoch nie darf, ist das ein ziemlich unnötiger Stress. Er wird permanent davon abgelenkt. Des Weiteren steigt mit zunehmendem Alter das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken – weil das ganze System einfach nie zum Einsatz kommt.

Man findet auch Artikel darüber, dass das auf die Menschen ebenso zutrifft: Studien belegen, dass häufiges Ejakulieren signifikant das Risiko an Prostatakrebs zu erkranken senkt. ^^

Ich war also zuerst der Meinung, die Natur habe den Hund so erschaffen, und man darf da nicht einfach etwas abschneiden. Er gehört im Ganzen so wie er ist. Und ich will doch nur das Beste für das Tier. Doch war das wirklich das Beste? Von „natürlich“ kann man bei einem Hund, der bei einer Familie lebt, und nicht als Arbeitshund genutzt wird, eigentlich gar nicht reden. Er muss sich an das Stadtleben anpassen. Wenn die Kastration einen Teil der permanenten Ablenkung und Anspannung nimmt, wäre das nicht besser? Und wenn er dadurch einige Jahre länger lebt (FunFact: Männer auch!)? Spätestens nach diesem Argument habe ich umgedacht, und mich auch dafür entschieden. Bis heute bereue ich die Entscheidung nicht – habe ich doch in den letzten 13 Jahren viele alte Hunde mit Geschwüren und ähnlichen gesundheitlichen Schwierigkeiten gesehen, und bin froh, das unser Hund sich nach wie vor bester Gesundheit erfreut.

Warum ich das erzähle? Ich habe das als Beispiel gewählt, wie man seine Einstellung in Frage stellen und ändern kann, weil es verdeutlicht, dass das keine große Schwierigkeit darstellen kann. Ich hatte vorher ein gefühltes Verständnis als Argument, dass angesichts der Faktenlage ins Wanken geriet. Ein gefühltes Verständnis als Mann, und als Lebewesen. Ich will das Beste für das Tier, und es richtig behandeln, damit es ein schönes Leben hat. Nachdem ich mich mit den entsprechenden Fakten beschäftigt hatte, wurde mit klar, dass ich das gefühlte Verständnis aufgeben musste.

Jaja, wirst du vielleicht sagen, aber was soll nun das Hundegeschwafel und dieser Besserwisser-Blog – ist doch kein Haustierblog, oder? Nun, es gibt Themenbereiche, die sich jeden Tag auf unser Alltagsleben auswirken – zum Beispiel Wirtschaft und Politik. Und was wir beispielsweise beobachten können, ist ein Erstarken der Rechten und des Faschismus, ein „Rechtsruck“ und eine Globalisierung und „Entfesselung“ der Weltwirtschaft.

Die Menschen haben persönliche Probleme, die sie der Politik zuschreiben, und deren Lösung sie in einem Politikwechsel sehen. Dabei ist es sehr wichtig, zu wissen, was die momentane Politik eigentlich ausmacht, und wie das die persönlichen Probleme bewirkt – und was ein Politikwechsel eigentlich bedeuten würde, wenn man die Ursachen der persönlichen Probleme angehen will. Dieser Themenbereich ist natürlich um einiges komplexer als das „Hundethema“ – aber er verlangt ebenso die Bereitschaft, sein Denken zu ändern und seine Meinung zu hinterfragen. Vorwegnehmen möchte ich hier nur eins: diejenigen, die sich als „Alternative“ bezeichnen, sind alles Andere als alternativ zu dem System, dass die individuellen Probleme der Menschen verursacht hat – und diejenigen, die bei uns Zuflucht suchen, sind ebenfalls nicht die Ursache dieser Probleme, sondern Opfer des selben Systems.

Was wir also tun sollten: die Ursachen unserer Probleme erforschen, und sich die entsprechenden Lösungen überlegen. Das ist einfacher als man denkt, und vor Allem als es uns die Politik glauben machen will: Wir leben in einer „Postdemokratie“, in der davon ausgegangen wird, dass die gesamten Zusammenhänge für uns zu komplex seien, und man daher die Entscheidungen für uns fällen müsse, so als ob es das Beste für uns wäre. Um zu zeigen, dass das nicht der richtige Weg ist, sollte man sich schleunigst mit den relevanten Sachthemen auseinandersetzen, und sich eine Meinung bilden, die auf soliden Fakten aufgebaut ist – ansonsten muss man sich wie eine Schafherde „an der Nase herumführen lassen“, sich Dinge erzählen lassen, und diese glauben.

Was zum Thema „Postdemokratie“ gesagt wurde: „Crouch gibt drei Ebenen an, um den anscheinend „unaufhaltsamen Kurs in Richtung Postdemokratie“ zu ändern: „Erstens mit Maßnahmen, die darauf zielen, die wachsende Dominanz der ökonomischen Eliten zu begrenzen; zweitens mit Reformen der politischen Praxis als solcher und drittens gibt es Handlungsmöglichkeiten, die den Bürgern selbst offenstehen.“ und „Der Politikwissenschaftler schlägt eine Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vor allem auf der kommunalen Ebene, Rückgewinnung öffentlichen Raums durch den Staat, etwa durch eine Rekommunalisierung privatisierter Einrichtungen, sowie die Einbeziehung eher partizipationsferner Akteure vor. Daniel Reitzig weist zusätzlich auf die Möglichkeiten von , Liquid Democracy, Bürgergutachten, Rückkehr zur Selbstverwaltung kleiner Verwaltungseinheiten, Ausweitung der Mitbestimmungsmöglichkeiten bereits bei Kindern und Jugendlichen sowie den Aufbau einer kritischen Gegenöffentlichkeit hin. Der Philosoph Johannes Heinrichs setzt der Postdemokratie sein Modell einer Werte- oder Volldemokratie entgegen.“

So, nun kann man das Ganze mal rückwärts betrachten: was und wer hat in der bisherigen Politik das Gegenteil der oben genannten Maßnahmen bewirkt? Und wer arbeitet gegen die aufgezählten Möglichkeiten? Wer setzt sich dafür ein? Und, ans Eingemachte: wie steht diene präferierte Partei zu diesen Themen? Und du selbst? Haben deine persönlichen Alltagsprobleme damit zu tun? Welche Gedanken dazu geben die Medien, und speziell die von dir Bevorzugten, in die Thematik ein und wie bewerten sie diese? Welche politischen Strömungen arbeiten in die eine oder andere Richung?

Frage dich selbst: willst du das Beste für dich und deine Familie? Willst du das Beste für alle Menschen? So wie ich das Beste für meinen Hund wollte? Bist du bereit, allen anderen das selbe Maß an Freiheiten einzugestehen wie dir selbst? Bist du bereit, auf Freiheiten zu verzichten, die du anderen auch nicht einräumen willst? Willst du dich nur um dich, deine Familie und dein Land kümmern? Oder um alle, alle Familien in allen Ländern? Wenn sich jeder um sich und seinesgleichen kümmert, erreichen wir schnell den Zustand der heutigen Welt. Ist jedoch jeder um alle, alle Familien in allen Ländern besorgt, würdest du in dem Gefühl leben können, dass alle, jeder Mensch in allen Ländern um DICH besorgt ist. Darüber sollten wir nachdenken – um es besser zu wissen.

Author: Der_Besserwisser

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